2015 sind mehr als eine Million Menschen als Flüchtlinge
nach Deutschland gekommen. Viele stammen aus
Kriegs- und Krisenländern wie Syrien oder Afghanistan.
Ihr Weg nach Europa war häufig lebensgefährlich.
Für Mohamad und seine Familie aus Syrien war es eine
Flucht ins Ungewisse, aber auch eine Flucht nach vorn –
weit weg von Elend, Krieg und Terror.
Mohamad Fahham rettete sich, seine Frau Ola und die Töchter Luna und Joud aus dem syrischen Bürgerkrieg nach Deutschland. Er wäre gern in seiner Heimat geblieben, doch er weiß: Seine Kinder hätten dort keine Zukunft gehabt.
Es riecht fast so wie zu Hause, aber eben nur fast. Der Geruch nach frischer Minze, Tee und Gewürzen ist neu in dieser Wohnung und macht es Mohamad etwas leichter.
Das Leben in der neuen Heimat ist ungewohnt für ihn und seine Familie. Seine Frau Ola, die Töchter Luna und Joud – alle konnte er aus dem syrischen Bürgerkrieg nach Deutschland retten. Jetzt sitzt er da, ein wenig verloren vielleicht, in der Wohnung in Köln Pulheim. Und wirkt doch glücklich.
„Es war eine unglaublich schwere Entscheidung, Syrien zu verlassen, aber es musste sein. Ich wollte, dass meine Familie weiterlebt, dass wir mit unseren Töchtern in Sicherheit sind“, sagt er.
So lange wie möglich hatte die Familie in Syrien ausgeharrt. Mohamad arbeitet als Mathematikdozent an der Universität von Aleppo, seine Frau Ola hatte einen Job als Architektin. Selbst als ihr Haus bei einem Bombenangriff zerstört wurde, entschlossen sie sich nicht direkt zu fliehen. Sie schickten die Kinder zunächst zu Verwandten aufs Land, aber auch dort war die Lage nicht sicher.
Dann kam der entscheidende Moment für Familie Fahham: Wir gehen nach Europa - wir müssen unseren Kindern eine Zukunft bieten - und dafür müssen wir erstmal überleben.
Über den Landweg kamen sie an die türkische Küste, bevor die Überfahrt nach Griechenland in einem kleinen Boot folgte. Mohamad erzählt stockend von der Nacht auf dem Mittelmeer, Ola sitzt am Fenster und schaut in den Regen.
„So etwas möchte ich nie wieder erleben“, sagt der Familienvater. Über die Balkanroute, die mittlerweile geschlossen wurde, kamen sie nach Deutschland. Es gab Kontakte zu Verwandten, wie viele syrische Flüchtlinge ist auch Familie Fahham gut vernetzt. Der Weg führte schließlich nach Pulheim bei Köln.
„Es war unglaublich, dass direkt am ersten Tag Menschen zu uns kamen, um uns zu helfen, wir sind hier so freundlich aufgenommen worden, das hat mich total beeindruckt“, erzählt Mohamad.
Jetzt muss das neue Leben organisiert werden. Das bedeutet zunächst: ein Deutschkurs für Mohamad und seine Frau. Die vierjährige Luna geht in eine Kita und wird die Eltern, was Deutschkenntnisse angeht, sicher ganz schnell überholen. Am Essenstisch versucht die Familie konsequent die neue Sprache zu sprechen.
Die Kehrseite dieses positiven Starts in Deutschland ist das Warten. Warten auf Asyl, Warten auf das erste Interview beim Bundesamt für Integration und Flüchtlinge. „Wir haben in Syrien gearbeitet. Wir kennen es nicht den halben Tag nur rumzusitzen. Wir wollen endlich unser neues Leben hier starten“, erzählt Mohamad.
Immer wieder diskutiert er seine Situation mit Judith Imholt. Die 26-Jährige ist eine der freiwilligen Helferinnen in der Pulheimer Flüchtlingsarbeit. Und inzwischen so etwas wie eine Freundin von Familie Fahham. „Es hat vom ersten Moment an gepasst“, sagt Judith. „Ich musste immer daran denken, wie es mir in einer ähnlichen Situation gehen würde - wenn mich ein Krieg aus Köln, aus Deutschland, aus meiner Heimat vertreiben würde. Und ich konnte das ewige Gequatsche von der ‚Überforderung‘ nicht mehr hören. Es ist so einfach, Menschen zu helfen.“
Kulturelle Unterschiede – klar, die gibt es. Judiths Selbstbewusstsein als Frau war für Mohamad schon erstaunlich. „Frauen bewegen sich hier in Deutschland natürlich ganz anders, daran müssen wir uns gewöhnen.“
Eine andere Helferin aus dem Kreis hat Mohamad einen Job als Mathematiklehrer organisiert – jetzt gibt er Nachhilfe für Förderschüler. Mathematik funktioniert oft auch ohne Sprache. Für beide Seiten eine bereichernde Erfahrung.
In seiner Freizeit geht Mohamad zum Ringen, in Syrien war das sein Lieblingssport. Irgendwann hatte sich sein Hobby in der Flüchtlingsinitiative herumgesprochen, und ein „Mister Volker“, wie Mohamad ihn nennt, hat ihn einfach mitgenommen. Jetzt trainiert er wieder regelmäßig. Und lernt nebenbei neue Leute kennen.
Sport, Arbeit, der Kindergarten – Integration klingt oft so sperrig und kann im Kleinen doch so einfach sein.
Mohamad und Ola schauen positiv in die Zukunft. Sie sind sich sicher, hier eine neue Heimat gefunden zu haben: „Wenn du hier so viel Hilfe und Zuneigung erfährst, wenn du Kontakt zu den Menschen hast und dein Hobby leben kannst – und inzwischen auch wieder etwas von der Hilfe zurückgeben kannst, dann lebst du wieder.
Wir leben wieder!“
Die meisten Handyfotos, die Mohamad auf der langen Flucht gemacht hat, hat er inzwischen gelöscht. Manchmal träumt er von Syrien- und dann mischen sich die Gerüche von Tee, Minze und Gewürzen mit dem Lärm von einschlagenden Raketen und dem Schreien der Kinder.
Familie Fahham ist angekommen. Angekommen in Deutschland, in Pulheim. Doch die frühere Heimat ist irgendwie immer noch dabei, im Kopf, im Herzen. Und das wird sicher auch noch lange so bleiben.
Text: Moritz Folk
Krieg, Verfolgung, Naturkatastrophen - all das kann Menschen zur Flucht treiben.
Sie verlassen ihr Heimatland, weil sie dort nicht mehr sicher sind. Dafür nehmen sie
häufig gefährliche Wege in Kauf. Viele Flüchtlinge, die in Aufnahmeländern wie der Türkei,
dem Libanon oder Deutschland Schutz finden, würden gern in ihre Heimat zurückkehren,
für viele wäre es dort jedoch zu gefährlich.
Hadyie hat im syrischen Bürgerkrieg ihren Mann verloren. Mit ihren fünf Kindern harrt die 34-Jährige in einem Flüchtlingslager im Libanon aus. Weiter nach Europa will sie vielleicht später.
Hadyie heißt eigentlich anders, aber Namen spielen in dieser Geschichte keine Rolle. Die junge Mutter von fünf Kindern kommt am frühen Morgen aus ihrem Zelt. Es ist frisch in der Bekaa Ebene im Libanon, eine Autostunde von der Hauptstadt Beirut entfernt.
Hunderte von weißen Zelten stehen dicht nebeneinander gedrängt. Große blaue Wasserbehälter dazwischen. Kleine Kinder werden unter den Wasserhahn gehalten und notdürftig gewaschen. Hadyie bereitet auf dem Gaskocher im Zelt ein Frühstück zu. Etwas Reis und Gemüse, zwei Bananen, damit müssen ihre Kinder auskommen.
Die Lebensmittel hat die junge Frau gestern Nachmittag im Supermarkt im nächsten Ort gekauft. Die UN verteilen Lebensmittelkarten, mit denen die Flüchtlinge einkaufen können.
„Es geht uns hier natürlich nicht so gut wie früher zu Hause“, sagt Hadyie, „aber wir leben. Als unser Haus zerstört wurde, konnte ich mir nicht mehr vorstellen, dass wir diesen Krieg überleben“.
Hadiyes Mann ist schon vor drei Jahren im syrischen Krieg ums Leben gekommen. Jetzt trägt sie die ganze Verantwortung für ihre fünf Kinder.
Der Libanon hat gemessen an der eigenen Bevölkerungszahl weltweit die meisten syrischen Flüchtlinge aufgenommen – mittlerweile über eine Million. Und das ist nur die offizielle Zahl, die Dunkelziffer liegt deutlich höher. Bereits im August 2014 begann die libanesische Regierung die Einreise für syrische Flüchtlinge einzuschränken. Das UN-Flüchtlingswerk UNHCR wurde angewiesen, keine neuen Flüchtlinge zu registrieren. Im Sommer 2016 sind die Grenzen für syrische Flüchtlinge faktisch geschlossen worden. Nicht registrierte Flüchtlinge, die ohne offizielle Erlaubnis in den Libanon eingereist sind, erhalten keinerlei finanzielle Hilfen vom libanesischen Staat. Die Flüchtlinge müssen sich alleine durchschlagen, die einzige Unterstützung kommt von Hilfsorganisationen.
Die Caritas Libanon finanziert Schulbeihilfen für Flüchtlingskinder. Auch Hadyies ältester Sohn könnte davon profitieren. Aber noch hat die junge Mutter nicht die Energie aufgebracht, sich um den Schulbesuch zu kümmern. Zu viele Traumata aus dem Krieg beschäftigen die 34-Jährige. Im Gespräch schaut sie sehnsuchtsvoll auf die Berge im Hintergrund, dort oben beginnt Syrien – die alte Heimat. Hadyies Tränen sind mittlerweile aufgebraucht, manchmal will sie einfach nur noch einschlafen und nicht mehr aufwachen.
„Aber ich muss weiterleben für meine Kinder“, sagt sie, „sie haben doch ihr Leben noch vor sich“.
Ein paar hundert Familien leben hier im Flüchtlingslager, und von diesen Lagern gibt es wiederum hunderte im Libanon.
Bisher gab es kaum Spannungen zwischen der einheimischen Bevölkerung und den Flüchtlingen, aber das könnte sich ändern, erklärt Frederic Wiesenbach von Caritas international: „Wenn der Flüchtlingsstrom ungebremst weitergeht, wird es für den Libanon problematisch. Der Wohnraum wird immer knapper, viele Libanesen denken, dass ihnen die Flüchtlinge die Arbeitsplätze wegnehmen.“
Tatsächlich stehen an fast allen Straßenkreuzungen in der Bekaa Ebene syrische Männer, Tagelöhner auf der Suche nach einem Job. Für ein paar Euro arbeiten sie in Werkstätten oder auf dem Feld. Aber die Konkurrenz ist groß, viele kehren ohne Verdienst in die Lager zurück.
Für Frauen wie Hadyie ist es noch schwieriger. Die fünf Kinder lassen ihr keinen Spielraum, um auch noch zu arbeiten. Oft sitzt sie mit ihren Zeltnachbarn zusammen, sie erzählen sich gegenseitig von ihrem alten Leben in Syrien.
Einige Freunde und Verwandte sind mittlerweile nach Europa weiter geflohen. Die Nachrichten, die Hadyie von dort bekommt, stimmen sie nicht gerade optimistisch. „Was soll ich in Europa?“, sagt die junge Mutter, „ich kann die Sprache nicht, ich kenne die Menschen nicht. Wie soll ich da klar kommen?“
Außerdem ist Europa so weit weg von Syrien, und Hadyie hat den Traum von der Rückkehr immer noch nicht aufgegeben.
„Irgendwann muss dieser schreckliche Krieg ja zu Ende gehen.“
Am Nachmittag dröhnt laute Musik aus dem hinteren Teil des Lagers, eine Hochzeit wird vorbereitet. Die Brautleute haben sich auf der Flucht kennengelernt, jetzt hoffen sie auf eine gemeinsame Zukunft. Die Nachbarn haben Essen und Getränke gespendet, es wird getanzt. Die Braut wischt sich glücklich oder verunsichert ein paar Tränen aus dem Gesicht. Hochzeit in einem Flüchtlingszelt aus weißen Planen – das hatte sich die junge Frau vor ein paar Jahren mal anders erträumt. Und trotzdem geht von dieser Feier im Lager ein Signal aus: Auch das hier ist Leben: Wir sind immer noch da, und wir haben eine Zukunft.
Hadyie steht in einer der hinteren Reihen als Zuschauer. Noch während die Zeremonie läuft, zieht sie sich zurück in ihr Zelt. Die zwei jüngsten sind gerade eingeschlafen.
Hadyie breitet eine karierte Decke über ihre Kinder aus und legt sich selbst auf eine dünne Bastmatte. Der Tag morgen wird so sein wie der Tag heute, so viel ist sicher. Doch allein das reicht Hadyie zum Überleben.
Mitgefühl, Akzeptanz und die Bereitschaft zu helfen - all das trägt dazu bei,
dass Flüchtlinge in unserer Gesellschaft ankommen. Überall in Deutschland
versuchen Helferinnen und Helfer der Caritas, Flüchtlingen den Start in neuer
Umgebung etwas zu erleichtern - so auch vor dem Landesamt für Gesundheit
und Soziales (LaGeSo) in Berlin.
Caritas-Mitarbeiterin Catalin Hartwig hilft Flüchtlingen, die vor dem Berliner LaGeSo in langen Schlangen auf einen Termin warten, mit dem Nötigsten. Das Recht zu helfen musste hart verhandelt werden.
Ein Menschenauflauf in der Turmstraße in Berlin-Moabit. Eine junge Frau drängt sich durch die Menge. Catalin Hartwig arbeitet für das Sozialteam der Caritas am Berliner Landesamt für Gesundheit und Soziales, kurz LaGeSo. Wie jeden Morgen macht sie eine Runde über das riesige Gelände. Hier sieht es aus wie in einem Camp. Große, provisorisch wirkende Zelte stehen verteilt auf dem unübersichtlichen Platz. Die Zelt-Bewohner: Flüchtlinge aus aller Welt. Ihr Ziel: das Registrierzentrum für Flüchtlinge.
Das LaGeSo stand lange Zeit als Synonym für Chaos und Überforderung. Den ganzen Sommer 2015 über hatte man diese Bilder vor Augen: Lange Warteschlangen, weinende Kinder und verzweifelte Menschen. Das LaGeSo war dem großen Andrang an Flüchtlingen nicht gewachsen.
Die Flüchtlinge sollen sich eigentlich hier nur registrieren lassen, um offiziell einen Asylantrag in Deutschland stellen zu können. Aber es gibt zu wenige Mitarbeiter, die Versorgung der Wartenden funktioniert nicht. Ohne Getränke, ohne die Möglichkeit, sich setzen zu können, müssen sie vor dem Verwaltungshochhaus ausharren, in langen Schlangen, auch bei eisigen Temperaturen.
Oft verharren die Flüchtlinge mehrere Tage und Nächte vor dem LaGeSo. Es kam schon zu Ausschreitungen. Die Schlangen sind inzwischen etwas kürzer als noch vor Monaten. Viele Flüchtlinge hielten es nicht mehr aus, sie stellten sich irgendwann einfach nicht mehr an. Einige tauchten unter in der Metropole Berlin.
„Ich warte jetzt schon zwei Tage hier, um endlich einen Termin zu bekommen. Ich brauche das Geld, um meiner Familie Essen kaufen zu können, aber es geht nicht weiter“, sagt James aus Eritrea.
Die Caritas will den Menschen die Wartezeit ein wenig erleichtern und hilft mit dem Nötigsten.
Catalin Hartwig bringt blaue Jutebeutel. Darin stecken Zahnbürsten, Shampoo, ein Wörterbuch, ein Malbuch für Kinder, Socken und Unterwäsche. Es dauert keine Minute und Catalin ist umringt von einer Menschentraube. Freundlich, aber bestimmt verteilt sie die Erste-Hilfe-Beutel an die Flüchtlinge.
Vor allem die besonders schutzbedürftigen Flüchtlinge haben unter den langen Wartezeiten zu leiden. Kranke, Schwangere, Alleinreisende mit Kindern, alte und gebrechliche Menschen. Hier setzt das Sozialteam Caritas am LaGeSo an. Nach längeren, zähen Verhandlungen mit dem LaGeSo darf das Sozialteam vor Ort 15 „Härtefälle“ pro Tag unter den Wartenden bevorzugt betreuen. Ein zähes Ringen um etwas mehr Menschlichkeit.
„Ich fühle mich manchmal wie eine Anwältin für besonders Schutzbedürftige“, sagt Catalin.
Catalin hat inzwischen einen Blick für ihr „Klientel“, wie sie sagt. Als sie eine verloren wirkende Frau sieht, nimmt sie sich ihrer sofort an. Die allein reisende Mutter erklärt ihr, dass ihr Sohn längere Zeit im Krankenhaus verbracht habe und sie jetzt nicht wisse, wo sie unterkommen könne. In ihrem Wohnheim, sagt die Mutter, könne sie nicht weiterleben, denn sie brauche ein Einzelzimmer für ihr krankes Kind. Catalin nimmt die Frau mit.
„Wir stellen sicher, dass sie bekommen, was ihnen zusteht“, sagt die Helferin der Caritas.
Die Frau gilt als „Härtefall“. Catalin hilft ihr beim Ausfüllen der Formulare, die sie dann direkt beim LAGeSo einreicht. Sie kann ihr einen Termin für den nächsten Tag besorgen. So erspart sie der Mutter das lange Anstehen und noch längere Warten auf einen Termin.
Um ein Zimmer für die Frau und ihr krankes Kind wird sie sich danach kümmern – auch wenn das schwer wird: „Wir haben immer noch zu wenige Unterkünfte. Eine Turnhalle ist keine angemessene Unterkunft für eine alleinstehende Frau mit krankem Kind.“
Catalin Hartwig macht sich auf den Weg zur NUK, zur Notunkerkunft für besonders schutzbedürftige Flüchtlinge. Hier können akut kranke Flüchtlinge untergebracht werden, bis sie etwas anderes finden.
Im NUK trifft Catalin einen alten Bekannten. Auch ihn hat sie aus einer der Warteschlangen gezogen. Achmed ist seit zwei Wochen hier. Er war sehr krank – jetzt geht es ihm besser und er ist sehr dankbar: „Ohne die Caritas hätte ich nicht weiter gewusst – vielleicht hätte ich es gar nicht geschafft“, sagt er. Catalin erkundigt sich nach seinem Zustand, für einen kurzen Smalltalk bleibt auch noch Zeit.
Achmed geht es wieder gut. Nun kann sich das Sozialteam um eine Bleibe für ihn kümmern, auch wenn er sich vorstellen könnte, hier zu bleiben: „Hier wird mir so gut geholfen, alle sind sehr nett zu mir, ich kann mir nichts Besseres vorstellen.“
„Es ist schon emotional sehr belastend, hier zu arbeiten, Man muss die Arbeit schon mögen. Das wäre nichts für jeden“, erzählt Catalin. Viel Zeit zum Nachdenken hat sie aber gar nicht. Sie muss weiter, sie wird gerufen. Eine junge Familie aus Syrien braucht ihre Hilfe. „Es ist unglaublich bereichernd für mich. Ein Danke oder ein Schukran – und der Stress ist schon wieder vergessen“, sagt sie zum Abschied und lacht.
Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt, in die Schulen oder in den Alltag zu integrieren,
ist eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung. Mit vielen Projekten und Initiativen
überall in Deutschland hilft die Caritas Zuwanderern, in unserer Gesellschaft
anzukommen. Ein Beispiel ist "Mamica" - eine Anlaufstelle für junge Roma-Mütter
und ihre Kinder in Wuppertal.
Erziehungstipps, Ausflüge, psychologische Hilfe: Die Caritas Wuppertal hilft jungen Roma-Frauen und ihren Kindern bei der Integration.
Sunita war 14 Jahre alt, da wurde sie zum ersten Mal schwanger. Als sie ihre Tochter in einem deutschen Krankenhaus zur Welt brachte, nahm man ihr das Kind weg und gab es zu einer Pflegefamilie. Die Begründung: Sie sei noch nicht in der Lage, für ihr Kind zu sorgen. Heute ist Sunita 19 und Mutter von drei weiteren Kindern. Auf dem Schoß sitzt die neun Monate alte Celina, im Frühstücksraum des Internationalen Begegnungszentrums der Caritas Wuppertal.
Ihr schwarzes Haar hat Sunita zu einem Pferdeschwanz gebunden, große Bronzeringe baumeln an ihren Ohren. Wenn sie spricht, beugt sie sich vor, als wolle sie einem ein Geheimnis anvertrauen. "Ich bin alleinerziehend", raunt sie. Ihre dunklen Augen blicken ihr Gegenüber direkt an. Auch ihren zweiten Sohn habe man in ein Heim gesteckt, ein weiterer gehe in den Kindergarten. Die kleine Celina auf ihrem Schoß klatscht in die Händchen. Geschichte wiederholt sich: Denn auch Sunita selbst saß vor einigen Jahren in dem Caritas-Zentrum als Kind auf dem Schoß ihrer Mutter.
Bereits damals kümmerte sich Sozialarbeiterin Elisabeth Cleary um die Roma-Frauen. Seit 25 Jahren arbeitet sie mit den Migrantinnen zusammen, die ihr großes Vertrauen entgegenbringen. Nun hat sie mit anderen Caritas-Mitarbeiterinnen das Projekt "Mamica" gestartet, was in den slawischen Sprachen so viel heißt wie "Mutter". Sie unterstützen derzeit etwa 20 Roma-Frauen mit ihren Kindern. Die Mütter kommen aus dem Kosovo, Serbien, Albanien oder Mazedonien. Ziel ist es, sie in die Gesellschaft einzubinden.
Das Projekt ist in drei Bereiche geteilt. Neben einer Schwangerenberatung gibt es Erziehungstipps und einen Fachdienst, der die Frauen über das Aufenthaltsrecht informiert. Um ihnen ganzheitlich zu helfen, arbeiten Psychologinnen, Hebammen und Sozialpädagoginnen zusammen.
Die größte Angst hätten die Frauen vor ihrer Abschiebung, so Cleary. Nach der Ablehnung des Asylantrags lebten viele von ihnen jahrelang in der Duldung. Täglich müssten sie mit einer Rückführung in ihre Heimatländer rechnen. Die Frauen bekommen deshalb regelrechte "Migrationskrankheiten" wie Kopf- oder Bauchschmerzen, so Cleary. Um dauerhaft ein Bleiberecht zu bekommen, müssten sie sich integrieren. Und das heißt: Arbeiten und die Kinder in die Schule schicken. "Doch wie sollen sie arbeiten, wenn sie gar keine Arbeitserlaubnis haben?", fragt Cleary. Viele Roma-Familien lebten daher von Sozialhilfe.
Ein Hauptproblem ist, dass viele Frauen wie Sunita bereits im Jugendalter schwanger werden. Das hindert sie daran, in die Schule zu gehen. Im Caritas-Zentrum können sie zumindest Deutschkurse besuchen. Und um den Teufelskreis zu durchbrechen, versuchen die Helferinnen die Frauen davon zu überzeugen, ihre Söhne und Töchter in die Schule zu schicken.
"Wichtig ist die humanitäre Hilfe vor Ort", betont der Vorstandsvorsitzende des Caritasverbands Wuppertal, Christoph Humburg. "Wir können die Situation der rund 1.000 Roma in Wuppertal nur dann beurteilen, wenn wir uns die Einzelfälle ansehen". (KNA)